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Die größte Überraschung: Dieses Kirchenfenster passt exakt in eine Fensteröffnung des Kapellenchors.

 Wie ist das rätselhafte Fenster entdeckt worden? Der Traditionsbetrieb Krumholz in Bad Bergzabern, überregional bekannt für sakrale Glaskunst, hat seit 2018 eine neue Eigentümerin, Karin Histing. Sie fand im Firmen-Fundus das auffällige, gut erhaltene Glasbild und war sich gleich sicher, dass ein Bezug zur Nikolauskapelle besteht. Die Glasermeisterin nahm Kontakt zum Bezirksverband Pfalz als Eigentümer der Nikolauskapelle auf, ebenso zur Burg-Landeck-Stiftung, die vor einigen Jahren die Patenschaft für den spätromanischen Bau übernommen hat.

Um mehr über das Fenster zu erfahren, wandte sich Günter Nuss von der Stiftung an den früheren katholischen  Ortsgeistlichen von Klingenmünster, Egon Emmering. Der Pfarrer hat in den achtziger Jahren die Nikolauskapelle aktiv ins kirchliche Leben eingebunden, ließ dort Hochzeiten. Messen und andere besondere Anlässe feiern. Emmering gilt als sehr geschichtskundig. „Das Glasbild ist echt großartig“, schwärmt der Geistliche in seinem Antwortbrief. Er stufe es eindeutig als eine Arbeit der Speyerer Glaskunstanstalt Brotzler ein – Beschriftung, Gestik und die Ausgestaltung der Gesichtszüge deuteten darauf hin. Die Spezialfirma, die heute nicht mehr existiert, hat in der Nachkriegszeit viele Kirchen der Vorderpfalz und darüber hinaus mit neuen Kirchenfenstern ausgestattet. Auch die katholische Josephskirche in Annweiler besitzt zwei Brotzler-Fenster. Die Farbverglasung einer Rosette an der Westseite der Nikolauskapelle dürfte ebenfalls von dem Speyerer Glaskunstbetrieb stammen.

Interessant ist ein Hinweis Egon Emmerings auf die mögliche Herkunft des Nikolausfensters: Pfarrer Karl Maria Göttgens, der in den Nachkriegsjahren Anstaltsgeistlicher der benachbarten Heil- und Pflegeanstalt (heute Pfalzklinikum) war, wollte nach seiner Pensionierung im Magdalenenhof unmittelbar neben der Kapelle seinen Altersruhesitz nehmen. Er hat ein Heft über die Nikolauskapelle verfasst und bemühte sich damals sehr um die Ausstattung des spätromanischen Baus, der zuletzt zu einem Wirtschaftsgebäude des Magdalenenhofs verkommen war. Göttgens‘ Absicht war, die Nikolauskapelle wieder kirchlichen Zwecken zuzuführen.

Die Vermutung liegt nahe, dass er neben der Anschaffung des Altars, des Kruzifix und der Kirchenbänke auch das Fenster in Auftrag gegeben hat. „Nur – warum wurde es entfernt?“ fragt Pfarrer Emmering – und Günter Nuss ergänzt: „...oder es war nie eingebaut.“ Karl Göttgens Pläne lösten sich jedenfalls in Nichts auf, als der Magdalenenhof 1964 abgerissen wurde. Vielleicht, so kann man vermuten, ist dann auch das Fenster in Vergessenheit geraten. Wie es allerdings in die Bergzaberner Glaserei kam – das ist bis heute ein Rätsel. Auch die aktiven Mitglieder der Pfarrgemeinderatsgremien wissen nichts von dieser Arbeit.

Das wiedergefundene Fenster ist 1.05 Meter hoch und 38 Zentimeter breit. Es ist, so Günter Nuss, in gutem Zustand, nur leicht renovierungsbedürftig. Glasermeisterin Karin Histing möchte das wertvolle Fundstück dem Bezirksverband schenken, sofern es in die Nikolauskapelle eingebaut werden kann. Bei einem Treffen in der Kapelle, an dem Vertreter des Bezirksverbands, der Landeck-Stiftung und die großzügige Stifterin teilnahmen, war man sich schnell einig: Es wäre großartig, wenn das Glasbild (wieder) in die Nikolauskapelle integriert werden könnte. Statt in irgendeinem Depot zu lagern, wo ihn niemand sieht, könnte der gläserne Nikolaus an der Stelle, die ihm vermutlich zugedacht war, von den zahlreichen Besuchern bewundert werden. Lediglich der Einbau wäre zu finanzieren.

Die Denkmalschutzbehörde ist inzwischen über den Fund und das Vorhaben informiert worden. Ulrike Weber, wissenschaftliche Referentin bei der Generaldirektion Kulturelles Erbe in Mainz, hat den Einbau des Fensters ohne große Umstände genehmigt. Es soll auf der Ostseite des Chors seinen Platz finden, so dass Besucher es kurz nach dem Eintreten in die Kapelle in voller Schönheit genießen können. Die übrigen Chorfenster sind normale Glasfenster, die allerdings auch irgendwann eine Restaurierung nötig hätten, so die Burg-Landeck-Stiftung.

Ungelöst aber sind die Geheimnisse des Nikolausfensters. Eine Nachfrage von Heimatforscher Nuss beim Archiv des Bezirksverbands hatte keine nennenswerten Ergebnisse. Vielleicht weiß ja irgendein älterer Bürger, was es mit dem Glaskunstwerk auf sich hat. Hinweise und Informationen nimmt Günter Nuss gern entgegen (Telefon 06349 963486).

Information

Die denkmalgeschützte und unter dem Schutz der UNESCO stehende Nikolauskapelle gilt als ein Kleinod staufischer Sakralarchitektur. Sie liegt in einem kleinen Park auf einer leichten Anhöhe, von dem aus man einen schönen Blick auf das Dorf Klingenmünster, die Burg Landeck und die Weinberge hat. Das genaue Erbauungsdatum der Kapelle ist nicht bekannt. Aufgrund der Stilmerkmale der Spätromanik – ähnliche Formen wurden im benachbarten Elsass und in Worms verwendet -  wird spekuliert, dass die Kirche mit Turm um 1190 gebaut, der Innenausbau aber erst im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts fertiggestellt wurde.

Seit die Burg-Landeck-Stiftung 2014 die Patenschaft der Kapelle übernommen hat, ist sie wieder regelmäßig geöffnet – von Mai bis Oktober samstags, sonntags und an jeden zweiten Mittwoch. Ehrenamtliche „Kapellenwächter“ empfangen die Besucher, die dieses Angebot in großer Zahl annehmen. Natürlich hängt die Öffnung im kommenden Jahr von der Corona-Lage ab.